Der Wald im Klimastress

Rede von Miriam Staudte (Grüne MdL) vom 13.09. im nds. Landtag

– Es gilt das gesprochene Wort –

Der Klimawandel ist in unseren norddeutschen Wäldern angekommen, wenn wir mal realistisch sind, dann geht es nicht mehr darum, wie man mit dem Wald Geld verdienen kann, sondern wie man ihn erhält.

Laufend werden die Schäden nach oben korrigiert, doch schon an Ostern konnte man sehen, dass viele Bäume den trockenen Winter nicht überstanden haben und nicht mehr austreiben.

Umso erschreckender ist es, dass diese Landesregierung bislang nichts in die Wege geleitet hat, außer mickrigen 1,5 Mio Euro für Borkenkäfer-Fallen bereitzustellen. Eilig wurde vor dieser Landtagssitzung noch der Waldbeirat ihres Vorgängers einberufen. Die Groko ist blank.

Wir Grünen haben in den letzten Monaten Gespräche mit unzähligen Förstern und Naturschützern geführt. Wir haben mit Förstern zusammen ihre Wälder in den unterschiedlichsten Regionen Niedersachsens in Augenschein genommen. Die erschreckendste Aussage der Forstgewerkschaft war, dass viele ältere Förster sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen, weil sie es sich ertragen, ihren Wald sterben zu sehen.

Der Begriff Waldsterben ist ja wirklich ein bedrückender, denn er bringt zum Ausdruck, dass der Wald stirbt ohne dass er abgeholzt oder Brände wie in Südamerika gelegt werden. Er stirbt so und in Wirklichkeit herrscht eine große Ratlosigkeit. Diese Ratlosigkeit war bei vielen Gesprächen deutlich zu spüren. Und es ist auch richtig: Keiner kann heute mit 100{ac3304263dd34c1ae4a87ebaa3650b757329acfc186ef845ab98ef6c2c6210bd}iger Sicherheit sagen, was die richtigen waldbaulichen Entscheidungen sind zum Beispiel bei der Baumartenwahl.

Die Landwirtschaft hat ja auch Probleme mit dem Klimawandel, aber da können Landwirtinnen und Landwirte jedes Jahr neu entscheiden, was sie anbauen. Abgesehen von Obstbau natürlich.

Die Forstwirtschaft hat andere Zeiträume. Die heutigen Entscheidungen prägen den Wald, den wir in 30 oder 40 Jahren haben. Doch wie wird das Klima dann sein? Das kann kein Wissenschaftler genau sagen, weil es unterschiedliche Szenarien gibt. Denn diese Szenarien hängen davon ab, ob die Menschheit es noch schafft gegenzusteuern oder ob alles noch viel, viel schlimmer wird als wir glauben.

Wir wissen nicht welches Klima-Szenario eintritt, also können wir bei der Wahl der Baumarten nicht 100{ac3304263dd34c1ae4a87ebaa3650b757329acfc186ef845ab98ef6c2c6210bd}ige Voraussagen treffen.

Was wissen wir? Nur radikaler Klimaschutz kann unseren Wald in der heutigen Form erhalten.

Was wir wissen, ist, dass wir eine Risikostreuung brauchen. Eins geht nicht, jetzt einfach weiter auf die nicht heimische Douglasie zu setzen, weil man mit ihr bisher am meisten Geld verdienen konnte. Wir müssen im Wirtschaftswald vielleicht tatsächlich offen sein, für Baumarten, die wir hier nicht hatten, wie zum Beispiel die Esskastanie, oder aber für Variationen hier heimischer Baumarten, die aber vielleicht ein klein wenig besser an anderes Klima angepasst sind. Allein von der Eiche gibt es 500 Arten. Arten mit etwas dickeren, wachsigeren Blättern, bei denen weniger Wasser verdunstet. Aber wir müssen uns auf die zumindest in Europa heimischen Arten beschränken, die hier auch eine ökologische Funktion erfüllen können.

Was wir auch wissen ist, dass wir mehr Feuchtigkeit im Wald brauchen. Keine Entwässerungsgräben, mehr Humus, der Grundwasserspiegel darf nicht absinken. Das heißt an Standorten mit viel benachbarter Landwirtschaft, die viel beregnet, müssen die Auswirkungen auf den Wald berücksichtigt werden.

Wir müssen stärker das Waldmikroklima in den Fokus nehmen.

Bislang galt immer die These, mehr Licht im Wald, mehr Wachstum. In diesem Jahr müssen wir feststellen, die Bäume vertrocknen gerade an diesen Stellen, wo viel Sonne in den Wald kommt. Wo eingeschlagen wurde, an Waldwegen. Waldränder besonders betroffen.

Und deswegen ist es auch so wichtig, dass wir Flächen haben, die der Natur selbst überlassen sind. Wir können es noch so gut meinen, und trotzdem falsche Entscheidungen treffen. Wir brauchen Flächen wie die Kernzone Nationalpark, wo wir beobachten können, wie die Natur selbst reagiert. Oder die Naturdynamikflächen, also die Wildnisflächen, die in den letzten Jahren im Landesforsten ausgewiesen wurden. Vielleicht werden wir beobachten, dass zwar die bisherigen Baumarten nachwachsen, aber vielleicht werden diese Bäume nicht mehr so wahnsinnig hoch wie wir es bisher in unserem Hochwald haben, weil ihnen für dieses extreme Wachstum das Wasser fehlt.

Es gibt viele Unsicherheiten, aber eins können wir sagen, man wird mit der Forstwirtschaft nicht mehr das Geld erzielen, dass in den letzten 13/14 Jahren erzielt wurde. In den letzten beiden Jahren haben die Landesforsten ein Minus gemacht. Beim Privatwald sieht es genauso aus. Über kurz oder lang werden wir zur Frage kommen, ob die Gesellschaft nicht den Erhalt des Waldes als Ökosystemdienstleistung, als Klimaschutzmaßnahme finanziell unterstützen muss.

Dann geht es um ganz andere Summen als hier heute genannt wurden.

Wir haben hier heute einen Antrag vorgelegt, in dem es nicht nur um die genannten Punkte geht, sondern auch um einen Dialog. Nur im Austausch der Erkenntnisse kommen wir zu fundierten Ergebnissen und Entscheidungen.

Dazu gehören auch Beratungen im Agrarausschuss, Expertenanhörungen. Es darf nicht so sein, wie beim Thema Waldbrand, wo der Innenausschuss nur schriftliche Anhörung beschlossen hat.

Vielen Dank.

Drucksachen

Antrag (PDF): Wald im Klimastress: Naturnahen Waldumbau beschleunigen, Dialog über die Zukunft des Waldes fördern – Drs. 18/4481

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